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GroKo und die Umwelt: Wichtiges droht auf den St. Nimmerleinstag geschoben zu werden

Berlins Spitzenpolitiker haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. In Sachen Umwelt- und Klimaschutz bleibt dieser leider mutlos, weitgehend unkonkret und verliert sich in Details.

Es gäbe zu tun, sehr viel sogar. Denn, machen wir uns nichts vor: Die Energiewende in Deutschland ist nicht gescheitert, aber sie steckt in einer Krise. Die vielen Solaranlagen und Windräder im Land transportieren die Illusion, dass wir in den vergangenen Jahren nennenswert vorangekommen wären.

Doch um den „Klimavorreiter“ Deutschland ist es in Wahrheit schlecht bestellt. Nicht nur das deutsche Klimaziel für das Jahr 2020 wird verpasst (Reduktion der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu 1990). Auch die europäischen Vorgaben für den Gebäudesektor und den Verkehr werden wir wohl krachend verpassen. Aus dem Vorreiter ist längst ein Nachzügler geworden. Viele andere europäische Länder, zum Beispiel die Niederlande, Großbritannien und Dänemark, machen vor, dass die Emissionen stark gesenkt werden können, ohne gleich die Deindustrialisierung einzuläuten.

Wie reagiert die GroKo? Mit Rückzug.

Das Klimaziel für das Jahr 2020 wird aufgegeben, stattdessen soll die Kohlewirtschaft mit neuen Subventionen (genannt Stilllegungsprämie) sogar noch gefördert werden. Fachkommissionen sollen erarbeiten, was doch eigentlich schon lange klar sein dürfte. Überfällig sind wirksame Maßnahmen, um die Klimaschutz-Ziele von Paris tatsächlich zu erreichen. Dazu gehört, den Ausbau der erneuerbaren Energien durch eine Anpassung des EEG zu beschleunigen, vor allem aber den Ausstieg aus der Kohleindustrie endlich einzuleiten. Selbst das Umweltbundesamt rät seit langem zur Stilllegung der ältesten und ineffizientesten Braunkohlekraftwerke. Sinnvoll könnte auch eine Ökosteuerreform sein, mit dem Ziel, jede Ware, jede Dienstleistung mit einer ihrem Klima-Fußabdruck entsprechenden Abgabe zu belegen. Zudem wäre eine gezielte Energieeinspar- und Effizienzförderung zu begrüßen, beispielsweise ist eine Sanierungsoffensive des deutschen Hausbestandes denkbar.

Immerhin: Die Windenergie an Land und Photovoltaik sollen mit einer zusätzlichen Kapazität von je 4.000 Megawatt gefördert werden. Außerdem soll es einen Zusatzbeitrag für die Offshore-Windenergie geben. Diese Sonderausschreibungen sollen je zur Hälfte 2019 und 2020 wirksam werden.

Doch als ob es keinen Paris-Vertrag gäbe, erschöpft sich klimafreundliche Politik an weiteren Stellen in vagen Formulierungen. Ob Klimaschutz oder EEG-Anpassung, Kohleausstieg oder zukunftsfähige Mobilität - Wichtiges droht auf den St. Nimmerleinstag geschoben zu werden.

Eine Einschätzung, die namhafte Umweltschutz-Experten mit reconcept teilen:

Hans Josef Fell: EWG-Präsident und Mitautor des EEG 2000

Groko: Das steht zu Umwelt und Klima im neuen Vertrag

Greenpeace Magazin: Deutschland gibt Vorreiterrolle im Klimaschutz bewusst auf

Robert Habeck (Grüne): "Man hat sich ins Technische geflüchtet"